29.10.2013 - 16.11.2013
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Auf dem Weg nach China |
Osh hat uns nicht nett verabschiedet: mit übelstem nassen und kalten
Herbstwetter, man könnte sagen Solinger Herbstwetter. Die Straßen zum
Irkeshtam-Paß in Richtung Grenze China waren dann auch reichlich verschneit, und entlang des
Pamir waren es 15 Grad unter Null. Der Grenzübertritt war bis auf ein
bißchen Gepäckkontrolle auch problemlos. Eine kleine
Spezialität hatte dieser Übergang noch aufzuweisen: durch das
"Niemandsland" reist man hier per LKW, das heißt in unserem Fall, der
kirgisische Posten verteilt die Fußgänger auf die Beifahrersitze der
Laster und schickt sie so bis zum chinesischen Posten. Hat gut
funktioniert und war free of charge. Die chinesischen Grenzbeamten
haben sich nicht durch besondere Freundlichkeit hervorgetan, obwohl ein
Werbeplakat in der Station gerade das angekündigt hatte. Es wäre uns aber ohne das Plakat wahrscheinlich gar nicht aufgefallen, also unser Blutdruck blieb noch im Normbereich.
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Kashgar 156km - alles klar? |
Kashgar liegt wieder tiefer und empfing uns mit annehmbaren
Tagestemperaturen. Es ist China's westlichste Großstadt und bevölkert
von der Minderheit der Uiguren. Und in der Tat ist das Lebensgefühl weit
mehr mittelasiatisch als chinesisch. Die meisten Menschen sind hier immer
noch Uiguren mit Ihrer typischen Kopfbedeckung, der Muezzin ruft von der
Moschee zum Gebet und das Angebot an Essen ist ähnlich dem in
Zentralasien. Und alle uigurischen Uhren stehen aus Prinzip auf
"Xinjiang-Time" (offiziell ist Beijing-Time, -2h). Aber der chinesische
Einfluß ist unverkennbar: die neuen Stadtteile sind typisch chinesisch mit
vielen Hochhäusern und Geschäften gebaut, auch ein Mao ist da, und dem
Essen hat der chinesische Einfluß gut getan ;-).
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Restaurierter Stadtteil in Kashgar |
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Moschee von Kashgar |
Von dem ursprüng-lichen
Kashgar, dessen Häuser aus Lehm und Holz in engen Gassen gebaut waren,
sind aber nur noch ein paar Straßenzüge im Zentrum übriggeblieben. Diese
werden im Moment heftigst renoviert: kaum ein Haus, an dem nicht
gearbeitet wird. Hoffentlich bleibt auch etwas vom Flair einer alten
Stadt erhalten. Bewohnt werden wird der restaurierte Teil zum Glück jedenfalls: ein zukünftiger Bewohner (Uigur) hat uns stolz durch seine Baustelle geführt. Sehr solide Ausstattung.
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Straßenleben, Alt-Kashgar |
Ansonsten staunen wir wieder mal, wie schnell die Entwicklung in China
vorrangeht. Auch hier am Ende der Republik werden Autobahnen in die Wüste
gebaut. Die Stadt sieht sehr aufgeräumt, sauber und keineswegs arm aus.
Um die Stadt gibt es Einiges an Industrie bzw. ist im Bau. Ganze
Wohngebiete sind mit Solarkollektoren ausgerüstet. In der Wüste stehen
riesige Windparks. Geschätzte 95% der Motorroller fährt elektrisch, die
Lieferkarren der Straßenhändler auch. Der Autoverkehr ist dem
Nicht-Geruch nach Kat-ausgerüstet. Die Stadtbusse fahren
diesel-elektrisch. Mit Schrecken denke ich an die Solinger Überlegungen,
die O-Busse (aus Preisgründen) durch Dieselbusse zu ersetzen und frage
mich besorgt, wo die Entwicklung stattfindet.
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Neu-Kashgar, typisch chinesisch |
So könnte es durchaus
sein, daß der (Negativ)Berichterstattung über China demnächst ein
Baustein fehlt. Die Städte mit der schlechtesten Luft wird man woanders
suchen müssen.
In einem anderen Punkt ist man hier, zumindest im Uiguren-Landesteil,
leider auch "weiter" als in Germany. Der Wunschtraum unseres
Innenministers ist hier bereits Realität: das Stadtzentrum ist komplett
von Kameras überwacht. (Anmerkung: das haben wir später soo
flächendeckend auch nicht wieder gesehen).
Leider holte uns auch in Kashgar das Herbstwetter ein, so daß wir auf
Ausflüge in die bergige Umgebung verzichteten. Wir wollten nicht nur
Wolken sehen.
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Reisen im "Soft Sleeper" |
Turpan war unser nächstes Ziel. Ein sanfter Einstieg ins Bahnfahren in
China. Wir müssen uns wieder an große Strecken gewöhnen. Die Hälfte von
Xinjiang zu durchfahren braucht mit dem Zug 24 Stunden, und das liegt
nicht an dem Zug. Es ist einfach scheiße weit. Und gerechnet auf China
ist man noch nicht sehr viel weiter. Aber da wir erst spät die Fahrkarte
gekauft haben, blieb nur noch "Soft Sleeper" übrig, was fast die
Königsklasse und etwas über Budget ist. Dafür bekamen wo dann ein Abteil
mit rosa Bezügen, Tischdeckchen und Gardinchen vor den Fenstern. Lange
nicht mehr so schick gereist. Noch schöner wäre gewesen, wenn nachts die
Lüftung an gewesen wäre. Die Strecke selbst ging am nördlichen Rand der
Taklamakan
(Wüste) entlang und bis auf die Umgebung der Städte bedeutet das
steinige bis sandige Wüste bis zum Horizont, unterbrochen von etlichen
ebenso steinigen Bergketten mit vielen Tunneln. Ein rauhes Land.
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Weingalerien in Turpan |
Turpan selbst ist wieder eine chinesisch aussehende moderne Stadt (ist
aber immer noch Uiguren-Gebiet), in deren Umgebung sich einige Reste
früherer Besiedlung finden, die mehr als 2000 Jahre zurückreichen. Wir
besuchten die immer noch imposanten Ruinen der Städte Gaochang und
Jiaohe, einige Hektar groß, mit 12m hohen Stadtmauern, Tempelbezirk und
Wohngebieten. Die buddhistischen Höhlen von Bezeklik könnten ebenfalls
sehr beeindruckend sein, wären sie nicht Anfang des letzten Jahrhunderts
von deutschen und englischen Expeditionen komplett leergeräumt worden.
Viele der Wandmalereien und Figuren haben dann in Europa den WW2 nicht
überstanden. Ein Ausflug in ein traditionelles uigurisches Dorf endete
leider an einer Militärsperre.
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Reste uralter Städte (Jiaohe) |
Möglicherweise hat es wieder mal
Zwischenfälle gegeben, wir konnten aber nichts in Erfahrung bringen.
Auch interessant: in und um Turpan wird Wein angebaut (der sehr gut
schmeckt). Jetzt im Herbst werden die Weinranken umgelegt und mit Erde
bedeckt. Denn so heiß Turpan im Sommer ist (bis 50°C), so kalt wird es
im Winter. Turpan liegt übrigens an der zweittiefsten
Senke der Welt
(-154m). Was man nur schwerlich vermuten würde, da sich ringsum die
höchsten Gebirge der Welt versammelt haben.
Eine Nachtbusfahrt (diesmal nur 12h) weiter liegt, immer noch an der
Wüste,
Dunhuang.
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Mogao-Höhlen nahe Dunhuang |
Auch hier gibt es buddhistische Höhlen, und obwohl auch
hier viel mitgenommen wurde, ist das verbliebene echt beeindruckend.
Bis zu vor 1700 Jahren aus dem Fels gemeißelte Buddhastatuen
sitzen/stehen hier noch sehr gut erhalten in ihrer Originallackierung in
insgesamt über 700 Höhlen. Innendrin ist Fotografierverbot, so daß Ihr Euch schon selbst den Weg machen müßt...
Außerdem hat Dunhuang Sanddünen, die zu den höchsten Chinas gehören
(300m) und einen See, der seit Jahrhunderten nicht zugeweht wird.
Beides haben wir uns nicht angesehen, da schon der Eintritt in den Park
15€ p.P. gekostet hätte.
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Teure Dünen, massentourismustauglich |
Ein sehr stolzer Preis für ein bißchen Sandlaufen, und dazu der höchste bisher.
Zumindest bei den Sehenswürdigkeiten ist China nicht mehr billig. Was
als solche erkannt ist, wird für den Massentourismus hergerichtet,
erhält ein Besucherzentrum, Parkplätze und Busstation, Einlaß,
Gehsteige, Geländer usw. und ein Eintrittsgeld. Wobei das Ganze nicht
für die paar ausländischen Touris gemacht wird, sondern für die
Millionen eigenen. In China muß dann alles eine Nummer größer und leicht
und schnell zugänglich sein.
Nicht weit von Dunhuang (diesmal nur 6h Busfahrt) ist das Ende der
chinesischen Mauer in
Jiayuguan.
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Dschingis-Khan-Stopper |
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Tor zum Land der Barbaren |
Hier war im Mittelalter das Ende
Chinas, und danach gab es nur noch ödes Land und feindliche Barbaren.
Folglich gibt es hier auch Reste der beeindruckenden Mauer und das
westlichste Fort zu besichtigen, der Ausgang der Seidenstraße aus dem
China des Mittelalters. Der Blick ins Barbarenland ist aber auch nicht
mehr was er einst mal war. Strommasten, Straßen und Bahnlinien zeugen
von zunehmender Erschließung der Ödnis.
Dann war wieder mal etwas länger Zugfahren angesagt. 14 Stunden brachten
uns nach
Xian, die alte Kaiserstadt und Anfang (oder Ende) der
Seidenstraße.
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Seidenstraße ade |
Dafür gibt es ein kleines, aber hübsches Denkmal in einem
Park, an dem wir offiziell unsere ständigen Begegnungen mit der
Seidenstraße beendet haben. Da wir hier in Xian aber schon einmal waren
(2005), haben wir die Sehenswürdigkeiten nicht noch einmal besichtigt.
Aber Reiseinteressierten sei gesagt, schon allein die
Terrakottaarmee
ist eine Reise nach China wert. Das Muslimviertel mit Moschee,
chinesisch bestückten Läden und Eßständen ist auch sehr sehenswert. Für
uns war Xian diesmal wichtig zur Organisierung unserer Silvesterparty,
und wir hatten endlich wieder Temperaturen im sicheren Plus-Bereich.
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Wasserspiele bei Nacht |
Leider aber ohne Sonne, dem Herbst konnten wir immer noch nicht
entkommen. Ansonsten ist Xian eine der supermodernen chinesischen
Glitzerwelten, wegen der wir eher nicht nach China fahren. Das gesamte
Stadtzentrum ist eine einzige riesige Shoppingmall, und die Chinesen
shoppen bis die Seele lacht. Alle internationalen Marken geben sich hier
ein Stelldichein. Gigantische Smartphone-Hallen. Unterbrochen ist das Ganze von den
Junkfood-Spezialisten der Welt, in einer Dichte die in Europa
unvorstellbar wäre: und die Chinesen gehen hin (und wir fragen uns wo
ihr Geschmack bleibt), und zahlen auch noch Preise die über denen in D
liegen. Aber neben den BMW X7 gibt es auch Bettler und Obdachlose in der Stadt, nicht
viele, aber es zeigt daß der rasante Wohlstandsanstieg nicht überall
ankommt.
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Eine von vielen Baustellen rings um Xian |
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Panda im Aufzuchtzentrum Xian |
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Süßkramproduktion (Muslimviertel, Xian) |
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Welches paßt da nicht hin? |