Mittwoch, 2. Oktober 2013

Usbekistan - Karakalpakstan oder die Kehrseite des Fortschritts

17.09.2013 - 22.09.2013 

Nach 3 Städten mit viel Geschichte und alten Bauwerken war es Zeit für andere Themen. Da war doch nochwas, das viele Wasser vielleicht, welches die Wüsten Kysylkum und Karakum begrünt? Da die Flüsse nicht ins Meer fließen, muß es doch irgendwo fehlen...
Also brachen wir von Khiva in Richtung Moynak auf. Moynak ist auf älteren Karten am Ufer des Aralsees gelegen, und nannte sich Fischerdorf. Heute soll es das nicht mehr sein. Auf dem Weg dorthin überquerten wir auch wieder den Amudarja, immer noch ein stattlicher Fluß in mindestens Rheingröße. Kaum zu glauben, daß ihm auf den letzten 200km die Puste ausgehen soll.
Zwischenstation auf dem Weg nach Moynak war die Provinzhauptstadt Karakalpakstans, Nukus. Ein gesichtsloses Städtchen ohne alte Bauten.
Savitzki-Museum Nukus
Aber mit einem sehr bekannten Museum mit einer Sammlung sowjetischer Kunst, die zu Stalins Zeiten nicht erwünscht war, aber hier weitab von Moskau erhalten geblieben ist. Wir haben es uns angesehen, allerdings reicht unser Kunstverständnis zugegebenermaßen nur zur Unterscheidung in "schön" und "weniger schön". Aber es gab auch Gemälde zum Aralsee zu sehen, das war natürlich interessant für unser nächstes Ziel.
Da die Preise für eine Aralsee-Tour budgetbrechend sind, gingen wir wieder auf die Suche nach Mitreisenden und konnten auch wieder ein Grüppchen zusammenstellen. Mit einem Usbeken und einem Amerikaner gingen wir auf Tour.
Wenn man Artikel über die Gegend liest, ist meist von Apokalypse die Rede. Angeblich wächst schon in Nukus (200km vor Moynak) kein Pflänzchen mehr (FAZ-Artikel, im Savitzki-Museum zu lesen). Nukus ist weit grüner als es die Lage natürlicherweise gestatten würde. Die Apokalypse ist dann auch bis kurz vor Moynak ausgeblieben, wir konnten Landwirtschaft sehen, und es standen Kühe auf der Weide. Es ist überhaupt nicht nötig Katastrophen auch noch zu übertreiben.
Ortsanfang von Moynak
Auch das berühmte Ortseingangsschild mit dem Fisch läßt sich noch ertragen. Mulmig wird es, wenn man am deutlich erkennbaren Seerand steht und die Schiffe vor einem auf dem Trockenen liegen. Die Gebäude des Fischkombinats stehen auch noch.
Produkte des Fischkombinats
Der Boden mit seinen Muscheln läßt die Seevergangenheit deutlich erkennen. Unser Fahrer hat als Kind noch genau an der Halbinsel gebadet, auf der heute das Aralseedenkmal steht.
Heute hat sich die Wüste den Seegrund geholt, und wo früher Wasser war, ist heute Sand, Salz, trockener Schlamm und Saksaul-Sträucher.
Schiffsfriedhof in der Wüste
Die Reste des sterbenden Sees haben wir auch noch sehen können, 180km hinter Moynak. Obwohl nur noch ein kläglicher Rest, kann man das gegenüberliegende Ufer (noch) nicht sehen. Schließlich war der See früher einmal etwa 1,5 mal die Schweiz. Da aber der Amudarja kein Wasser mehr hierher bringt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis er ebenfalls verschwunden sein wird.
Muscheln in der Wüste
Mittlerweile sind sogar Straßen durch den See gebaut, und es wird fleißig nach Erdöl gebohrt. Mit Wasser rechnet hier niemand mehr. Folgerichtig waren die Lösungen des Problems, die ein Film im Museum in Moynak präsentierte, eher kleineren Maßstabs. Mit dem verbleibenden Wasser des Amudarjas werden Seen angelegt, die für die Fischwirtschaft genutzt werden.

Noch gibt es Wasser im südlichen See


Übernachtet haben wir am Rande des Ustjurt-Plateaus im Zelt. Den Sonnenaufgang über dem Seerest haben uns leider wieder mal Wolken verdorben.
Zurück sind wir über das Plateau gefahren. Die Kante des Ustjurt - Plateaus hat teilweise spektakuläre Abbruchkanten von mehr als 100m zum ehemaligen See hin. Das Plateau selbst ist ebene Steppe bis zum Horizont.
Rand des Ustjurt-Plateaus
Mittag haben wir an einem der oben erwähnten Seen gegessen. Es gab Fisch - was sonst?

Aber wie soll man den Umgang mit dem See einordnen? Der Fingerzeig auf die bösen Russen / Usbeken paßt hier ganz bestimmt nicht. Selbiges passiert in gleicher oder sinngemäß gleicher Weise überall auf der Welt und ist wie sooft begründet mit Geldverdienen. Im Nahen Osten sinkt der Wasserspiegel des Toten Meeres rapide, aus genau denselben Gründen, Übernutzung der Zuflüsse (z.B. Paprikaschoten aus Israel im deutschen Supermarkt) und Großindustrie. Der Tschadsee wird auch weniger, dank Bewässerung und ausbleibendem Regen. Apropos ausbleibender Regen: Weltweit arbeiten dank selbst generiertem Wachstumszwangs alle am Klimawandel mit und die Folgen läßt man sehenden Auges auf sich zukommen. Dax und Börsenkurse gehen vor, und die versinkenden Malediven oder abgeschmolzene Gletscher sind weit weg. Genauso wie Karakalpakstan am Rande Usbekistans liegt. Der verschwundene See ist unserer Meinung nach nur EIN Beispiel für die Arbeitsweise der Menschheit weltweit, wo jedoch im Zeitraffer die Folgen bereits deutlich sichtbar sind. Die Menschheit könnte es besser machen. Tut aber keiner. Unsere Lebensweise ist ausgerichtet auf mehr Verbrauch an allem. Der westliche Lebensstil macht es vor und erzwingt es. Karakalpakstan und Moynak sind Beispiele für die, die dabei verloren haben. Andere werden folgen.


Hier die Entwicklung der Seegröße seit 1960. Es geht hier um den ehemals viertgrößten See der Welt. Im Russischen wie auch im Englischen ist die Bezeichnung übrigens "Meer".
Aralsee 1960 / 1970
Aralsee 1990 / 2000


Aralsee 2009

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