Mittwoch, 27. November 2013

China - Bis zum Anfang der Seidenstraße


29.10.2013 - 16.11.2013

Auf dem Weg nach China
Osh hat uns nicht nett verabschiedet: mit übelstem nassen und kalten Herbstwetter, man könnte sagen Solinger Herbstwetter. Die Straßen zum Irkeshtam-Paß in Richtung Grenze China waren dann auch reichlich verschneit, und entlang des Pamir waren es 15 Grad unter Null. Der Grenzübertritt war bis auf ein bißchen Gepäckkontrolle auch problemlos. Eine kleine Spezialität hatte dieser Übergang noch aufzuweisen: durch das "Niemandsland" reist man hier per LKW, das heißt in unserem Fall, der kirgisische Posten verteilt die Fußgänger auf die Beifahrersitze der Laster und schickt sie so bis zum chinesischen Posten. Hat gut funktioniert und war free of charge. Die chinesischen Grenzbeamten haben sich nicht durch besondere Freundlichkeit hervorgetan, obwohl ein Werbeplakat in der Station gerade das angekündigt hatte. Es wäre uns aber ohne das Plakat wahrscheinlich gar nicht aufgefallen, also unser Blutdruck blieb noch im Normbereich.
Kashgar 156km - alles klar?
Kashgar liegt wieder tiefer und empfing uns mit annehmbaren Tagestemperaturen. Es ist China's westlichste Großstadt und bevölkert von der Minderheit der Uiguren. Und in der Tat ist das Lebensgefühl weit mehr mittelasiatisch als chinesisch. Die meisten Menschen sind hier immer noch Uiguren mit Ihrer typischen Kopfbedeckung, der Muezzin ruft von der Moschee zum Gebet und das Angebot an Essen ist ähnlich dem in Zentralasien. Und alle uigurischen Uhren stehen aus Prinzip auf "Xinjiang-Time" (offiziell ist Beijing-Time, -2h). Aber der chinesische Einfluß ist unverkennbar: die neuen Stadtteile sind typisch chinesisch mit vielen Hochhäusern und Geschäften gebaut, auch ein Mao ist da, und dem Essen hat der chinesische Einfluß gut getan ;-).
Restaurierter Stadtteil in Kashgar
Moschee von Kashgar
Von dem ursprüng-lichen Kashgar, dessen Häuser aus Lehm und Holz in engen Gassen gebaut waren, sind aber nur noch ein paar Straßenzüge im Zentrum übriggeblieben. Diese werden im Moment heftigst renoviert: kaum ein Haus, an dem nicht gearbeitet wird. Hoffentlich bleibt auch etwas vom Flair einer alten Stadt erhalten. Bewohnt werden wird der restaurierte Teil zum Glück jedenfalls: ein zukünftiger Bewohner (Uigur) hat uns stolz durch seine Baustelle geführt. Sehr solide Ausstattung.
Straßenleben, Alt-Kashgar
Ansonsten staunen wir wieder mal, wie schnell die Entwicklung in China vorrangeht. Auch hier am Ende der Republik werden Autobahnen in die Wüste gebaut. Die Stadt sieht sehr aufgeräumt, sauber und keineswegs arm aus. Um die Stadt gibt es Einiges an Industrie bzw. ist im Bau. Ganze Wohngebiete sind mit Solarkollektoren ausgerüstet. In der Wüste stehen riesige Windparks. Geschätzte 95% der Motorroller fährt elektrisch, die Lieferkarren der Straßenhändler auch. Der Autoverkehr ist dem Nicht-Geruch nach Kat-ausgerüstet. Die Stadtbusse fahren diesel-elektrisch. Mit Schrecken denke ich an die Solinger Überlegungen, die O-Busse (aus Preisgründen) durch Dieselbusse zu ersetzen und frage mich besorgt, wo die Entwicklung stattfindet.
Neu-Kashgar, typisch chinesisch
So könnte es durchaus sein, daß der (Negativ)Berichterstattung über China demnächst ein Baustein fehlt. Die Städte mit der schlechtesten Luft wird man woanders suchen müssen.
In einem anderen Punkt ist man hier, zumindest im Uiguren-Landesteil, leider auch "weiter" als in Germany. Der Wunschtraum unseres Innenministers ist hier bereits Realität: das Stadtzentrum ist komplett von Kameras überwacht. (Anmerkung: das haben wir später soo flächendeckend auch nicht wieder gesehen).
Leider holte uns auch in Kashgar das Herbstwetter ein, so daß wir auf Ausflüge in die bergige Umgebung verzichteten. Wir wollten nicht nur Wolken sehen.
Reisen im "Soft Sleeper"
Turpan war unser nächstes Ziel. Ein sanfter Einstieg ins Bahnfahren in China. Wir müssen uns wieder an große Strecken gewöhnen. Die Hälfte von Xinjiang zu durchfahren braucht mit dem Zug 24 Stunden, und das liegt nicht an dem Zug. Es ist einfach scheiße weit. Und gerechnet auf China ist man noch nicht sehr viel weiter. Aber da wir erst spät die Fahrkarte gekauft haben, blieb nur noch "Soft Sleeper" übrig, was fast die Königsklasse und etwas über Budget ist. Dafür bekamen wo dann ein Abteil mit rosa Bezügen, Tischdeckchen und Gardinchen vor den Fenstern. Lange nicht mehr so schick gereist. Noch schöner wäre gewesen, wenn nachts die Lüftung an gewesen wäre. Die Strecke selbst ging am nördlichen Rand der Taklamakan (Wüste) entlang und bis auf die Umgebung der Städte bedeutet das steinige bis sandige Wüste bis zum Horizont, unterbrochen von etlichen ebenso steinigen Bergketten mit vielen Tunneln. Ein rauhes Land.
Weingalerien in Turpan
Turpan selbst ist wieder eine chinesisch aussehende moderne Stadt (ist aber immer noch Uiguren-Gebiet), in deren Umgebung sich einige Reste früherer Besiedlung finden, die mehr als 2000 Jahre zurückreichen. Wir besuchten die immer noch imposanten Ruinen der Städte Gaochang und Jiaohe, einige Hektar groß, mit 12m hohen Stadtmauern, Tempelbezirk und Wohngebieten. Die buddhistischen Höhlen von Bezeklik könnten ebenfalls sehr beeindruckend sein, wären sie nicht Anfang des letzten Jahrhunderts von deutschen und englischen Expeditionen komplett leergeräumt worden. Viele der Wandmalereien und Figuren haben dann in Europa den WW2 nicht überstanden. Ein Ausflug in ein traditionelles uigurisches Dorf endete leider an einer Militärsperre.
Reste uralter Städte (Jiaohe)
Möglicherweise hat es wieder mal Zwischenfälle gegeben, wir konnten aber nichts in Erfahrung bringen.
Auch interessant: in und um Turpan wird Wein angebaut (der sehr gut schmeckt). Jetzt im Herbst werden die Weinranken umgelegt und mit Erde bedeckt. Denn so heiß Turpan im Sommer ist (bis 50°C), so kalt wird es im Winter. Turpan liegt übrigens an der zweittiefsten Senke der Welt (-154m). Was man nur schwerlich vermuten würde, da sich ringsum die höchsten Gebirge der Welt versammelt haben.
Eine Nachtbusfahrt (diesmal nur 12h) weiter liegt, immer noch an der Wüste, Dunhuang.
Mogao-Höhlen nahe Dunhuang
Auch hier gibt es buddhistische Höhlen, und obwohl auch hier viel mitgenommen wurde, ist das verbliebene echt beeindruckend. Bis zu vor 1700 Jahren aus dem Fels gemeißelte Buddhastatuen sitzen/stehen hier noch sehr gut erhalten in ihrer Originallackierung in insgesamt über 700 Höhlen. Innendrin ist Fotografierverbot, so daß Ihr Euch schon selbst den Weg machen müßt...
Außerdem hat Dunhuang Sanddünen, die zu den höchsten Chinas gehören (300m) und einen See, der seit Jahrhunderten nicht zugeweht wird. Beides haben wir uns nicht angesehen, da schon der Eintritt in den Park 15€ p.P. gekostet hätte.
Teure Dünen, massentourismustauglich
Ein sehr stolzer Preis für ein bißchen Sandlaufen, und dazu der höchste bisher. Zumindest bei den Sehenswürdigkeiten ist China nicht mehr billig. Was als solche erkannt ist, wird für den Massentourismus hergerichtet, erhält ein Besucherzentrum, Parkplätze und Busstation, Einlaß, Gehsteige, Geländer usw. und ein Eintrittsgeld. Wobei das Ganze nicht für die paar ausländischen Touris gemacht wird, sondern für die Millionen eigenen. In China muß dann alles eine Nummer größer und leicht und schnell zugänglich sein.
Nicht weit von Dunhuang (diesmal nur 6h Busfahrt) ist das Ende der chinesischen Mauer in Jiayuguan.
Dschingis-Khan-Stopper
Tor zum Land der Barbaren
Hier war im Mittelalter das Ende Chinas, und danach gab es nur noch ödes Land und feindliche Barbaren. Folglich gibt es hier auch Reste der beeindruckenden Mauer und das westlichste Fort zu besichtigen, der Ausgang der Seidenstraße aus dem China des Mittelalters. Der Blick ins Barbarenland ist aber auch nicht mehr was er einst mal war. Strommasten, Straßen und Bahnlinien zeugen von zunehmender Erschließung der Ödnis.
Dann war wieder mal etwas länger Zugfahren angesagt. 14 Stunden brachten uns nach Xian, die alte Kaiserstadt und Anfang (oder Ende) der Seidenstraße.
Seidenstraße ade
Dafür gibt es ein kleines, aber hübsches Denkmal in einem Park, an dem wir offiziell unsere ständigen Begegnungen mit der Seidenstraße beendet haben. Da wir hier in Xian aber schon einmal waren (2005), haben wir die Sehenswürdigkeiten nicht noch einmal besichtigt. Aber Reiseinteressierten sei gesagt, schon allein die Terrakottaarmee ist eine Reise nach China wert. Das Muslimviertel mit Moschee, chinesisch bestückten Läden und Eßständen ist auch sehr sehenswert. Für uns war Xian diesmal wichtig zur Organisierung unserer Silvesterparty, und wir hatten endlich wieder Temperaturen im sicheren Plus-Bereich.
Wasserspiele bei Nacht
Leider aber ohne Sonne, dem Herbst konnten wir immer noch nicht entkommen. Ansonsten ist Xian eine der supermodernen chinesischen Glitzerwelten, wegen der wir eher nicht nach China fahren. Das gesamte Stadtzentrum ist eine einzige riesige Shoppingmall, und die Chinesen shoppen bis die Seele lacht. Alle internationalen Marken geben sich hier ein Stelldichein. Gigantische Smartphone-Hallen. Unterbrochen ist das Ganze von den Junkfood-Spezialisten der Welt, in einer Dichte die in Europa unvorstellbar wäre: und die Chinesen gehen hin (und wir fragen uns wo ihr Geschmack bleibt), und zahlen auch noch Preise die über denen in D liegen. Aber neben den BMW X7 gibt es auch Bettler und Obdachlose in der Stadt, nicht viele, aber es zeigt daß der rasante Wohlstandsanstieg nicht überall ankommt.


Eine von vielen Baustellen rings um Xian
Panda im Aufzuchtzentrum Xian
Süßkramproduktion (Muslimviertel, Xian)
Welches paßt da nicht hin?